Wenn Roboter zeichnen Als Beitrag zum «Museums des 21. Jahrhunderts», einem «Labor der Weltwahrnehmung», zeigt das IDK Erprobungen mit computergesteuerten Zeichen- und Malinstrumenten. Die Fragen nach Autorenschaft und den Grenzen der Kunst werden dadurch wieder neu gestellt. Das junge Hamburger Künstler-Kollektiv f18 (Institut für Kunst, Information und Technologie) setzt sich seit Jahren mit diesem Thema auseinander. Ihre Roboter und Maschinen zeichnen sich durch einen spielerischen und experimentellen Charakter aus. Oft entwickeln f18 ihre Roboter mit gefundenen, einfachen Materialien. In zwei Räumen des Graphischen Kabinetts sind verschiedene, für Solothurn neu entwickelte Typen in Betrieb: die beiden Zeichenspinnen, die mit Filzstiften ein rhythmisches Liniengefüge auf dem Boden hinterlassen sowie ein Malroboter, der ein Ölgemälde schafft. Begleitend dazu sind an den Wänden Skizzen, Schaltpläne und Abläufe von f18 ausgestellt, die die künstlerischen Prozesse bei der Entwicklung dieser Maschinen verbildlichen. Einen interessanten Bezug zur Solothurner Sammlung und zur Kunstgeschichte allgemein schafft die Gegenüberstellung der Roboter mit Arbeiten früherer Generationen, wie etwa den Maschinenzeichnungen von Jean Tinguely (1925-1991) oder Bernhard Luginbühl (*1929). Die Verdichtung und Repetition der Kreis- und Bogenformen in Luginbühls Arbeit Sisyphus (1979) sind dem Liniengefüge der Malspinnen-Zeichnungen nicht unähnlich. Der Künstler scheint hier unter anderem mit Kreisschablonen am Werk gewesen zu sein. Auch die Zirkel-Zeichnungen (1958) von Dieter Roth (1930-1998) thematisieren ein automatisiertes oder mechanisches Zeichnen, bei dem die Handschrift des Künstlers durch ein Hilfsmittel, in diesem Fall einen Zirkel, ersetzt wird. Im Gegensatz zu den Robotern spielt der Zufall hier allerdings keine Rolle, denn hinter dem Zirkel oder dem Stempel (Dieter Roth, Stempelkasten, 1973) wirkt der Gestaltungswille des Künstlers mit. Tinguelys «Stempelrolle» hingegen wurde von einer seiner Méta-Matic-Maschinen produziert. Auf eine ganz andere Weise setzt sich Franz Eggenschwiler (1930-2000) mit Automatismus auseinander. In seinen Telefonzeichnungen (unterschiedlich datiert) sucht er nach einem möglichst unbewussten, autonomen Ausdruck; eine Vorstellung, die der «écriture automatique» im Surrealismus verwandt ist. Mit Schwebzeile (1969) schliesslich bietet André Thomkins (1930-1985) ein System, womit man zufällige Buchstabenkombinationen generieren kann, also im weitesten Sinn auch als eine Art Maschine vestanden werden kann. Auf den ersten Blick steht die Zeichnungsmaschine Méta-Matic No.6 (1959) von Jean Tinguely den f18-Zeichnungsrobotern am nächsten, allerdings mit dem Unterschied, dass die mit Sensoren ausgestatteten Roboter ihre Richtung ändern oder sogar auf die Besucher reagieren können. Bei der Tinguely-Zeichnungmaschine (wie im Dokumentarfilm zu sehen ist), können lediglich die Farben und die Spieldauer bestimmt werden. Besonders interessant ist dabei der Umgang mit den entstandenen Bildern. Im Gegensatz zu f18, signierte Tinguely die Maschinenzeichnungen nicht nur, sondern brachte auf der Rückseite teilweise sogar ein Zertifikat an, das die Maschine und den Benutzer der Maschine als Kollaborateure ausweist («Malerei ausgeführt von ... in Zusammenarbeit mit Méta-Matic No. 6 von Tinguely»). Vergleichbar geht auch Jürg Lehni (*1978) mit den gesprayten Bilder seines Graffiti-Roboters «Hektor» (entwickelt mit Uli Franke) um. «Hektor» führt Vektorgrafikzeichnungen aus, die direkt vom Computer übertragen werden. Die in Solothurn realisierte Wandarbeit In a Beautiful Place Out in the Country (2004) beschreibt Jürg Lehni, wie vorher Tinguely, als Zusammenarbeit zwischen «Hektor» und Urs Lehni, der in diesem Fall für das Bildthema verantwortlich zeichnet. Wie bei Tinguelys Zeichnungsmaschinen-Zeichnungen wird hier eine Art von Gleichberechtigung zwischen Mensch und Maschine suggeriert. Die unklare Grenze zwischen künstlerischem Prozess und mechanischer Ausführung zieht sich durch die ganze Ausstellung. So hängt neben Roman Signers (*1938) Entwurfsskizze für den Brunnen im Solothurner Museumspark (Stiefel, 2004) auch der Konstruktionsplan. Oder neben den Projektzeichnungen zur den Malspinnen von f18 auch deren Schaltplan und Programm-Code. Mit dieser Sammlung von Zeichnungen, Skizzen und Entwurfsprozessen werden nicht nur das bildnerischen Denken der beteiligten Künstlerinnen und Künstler sichtbar gemacht, sondern auch jene Übergänge thematisiert, wo der künstlerische Prozess innerhalb des Grenzbereichs von Mensch und Maschine Gestalt annimmt. Die hier gezeigten Werke zeugen neben ihrem poetischen Gehalt auch von einer kritisch-ironischen Auseinandersetzungen nicht nur mit den Möglichkeiten und Grenzen der Technik, sondern auch mit der Definition des Kunstbegriffs. Katharina Ammann, Jörg Mollet |